Bin neulich mal wieder fremdgefahren. Ohne besonderen Grund. Etwas was ich gerne
habe: Einen noch recht frischen Exoten, den kaum einer kennt und der kein Image
hat.
Mein Fahrbericht mit kleinem Augenzwinkern:
Heute reiten wir gemeinsam in den
Sonnenuntergang: Orlando heißt er..., genauso wie
die Taube auf dem Dach meiner Lady, deren Spatz in ihrer Hand ich so gerne bin -
bekannt aus Filmen wie Fluch der Karibik und Herr der Ringe.
Auf
Amerikaner macht er... Ein Außendesign, gradlinig wie die Grenzen von Wyoming,
raumgreifend wie die Pondarosa-Ranch und schwer wie Pacos neuester Zuchtbulle.
Ein stattlicher Cowboy von 4 Meter 70 Länge und 2,2 Tonnen zulässigem
Gesamtgewicht. Mit ihm siehst du immer aus, als hättest du noch Großes vor. Raum
ist mehr als ausreichend vorhanden: sieben Gauchos kommen kommod über den Rio
Grande. Die Sitzreihen sind cineastisch aufsteigend angeordnet. Alle
Mitfahrenden sind von Mama und Papa gut durch einen zusätzlichen Innsenspiegel
zu sehen. Der Aufstieg in den Innenraum und die Beladung passen. Mit ihm will
ich für einen Tag den großen Viehtrieb durch die endlosen Canyons des
Harzvorlandes bestreiten; hinfort durch schlecht befestigte Wege, sanften,
kurvigen Serpentinen und dem Dschungel der Kreisstadt. Doch schnell merke ich,
irgendetwas stimmt mit diesem Cowboy nicht.
Gut, er kann trinken. Speziell
seine 140 Mustangs des Benzinmotors lassen die Kasse von Joe's Muschel-Saloon sicher
laut klingeln. Aber warum lässt er den Bourbon stehen und greift lieber zu
knapp 10 Liter Reisschnaps alle 70 Meilen?
Im Innenraum empfängt einem
eine absolut weichgespühlte und elektronikgeschwängerte Ausstatung: In der
LTplus-Variante sind für völlig ohne einer Handvoll Dollars Navi, Tempomat,
Klimaautomat, 17er-Sporenhufe, USB-Anschluss und viele andere Goodies zu haben.
Und dann sein Sicherheitswahn: Traktionskontrolle, ESP, 6 Airbags, PDC.
Andauernd muss er wegen irgend etwas piepen. Und die babyblaue Innenbeleuchtung?
Ist das alles noch männlich?
Schließlich ist da die Plastiklandschaft
hinter der Windschutzscheibe. Die bringt die letzte Gewissheit. This guy is a
stranger: Optisch ist es noch in Ordnung, bis auf das unsäglich billig
aussehende - von Opel bekannte - Lederlenkrad. Aber da sind auch zwei, drei versteckte Kunststoffgrate
offensichtlich mit einer Binford-Kreissäge ausgerissen worden.
Ablagemöglichkeiten gibt es, nur nicht immer da wo man sie vermutet - z. B. hinter dem Navi. Die Lady
sagt, ihr fehlt ein beleuchteter Innenspiegel in der Sonnenblende - da wo er es
sein soll, ist er wenig feminin.
Wenigstens Haptik und Zusammenbau
scheinen einigermaßen zu passen. Aber entäuscht ist man schon ein wenig.
Unkompliziert scheint er aber zu sein: Die meisten Schalter kennt man von seinem
deutschen Cousin, der heißt Opel Astra. Mal ein echtes Retrogefühl: Wann sah man
zuletzt beim Fahren - jenseits des ASX - das Ende der Motorhaube? Die Rundumsicht stimmt mal
wieder.
Warum isst er also kein Steak, sondern lieber rohen Fisch? Bei
Flanagans sagt man, seine Mutter hieße Daewoo. Im Fahrzeugschein steht Chevrolet
(ROK). Abends am Lagerfeuer gestand er mir seine Familiengeschichte: Er wurde in
Südkorea geboren, als Kind US-amerikanischer Eltern mit schweizer Ahnen und
deutschen Genen. Schöne neue Welt, westlich des Big Apple.
Aber seinen
Job scheint er zu wuchten. Nur für das große Rodeo fehlt der richtige Punsh -
sprich der endgültige Durchzug. Da ist noch zu viel asiatische Zurückhaltung,
selbst wenn diese nervige Schaltempfehlung permanent leuchtet, wie der
Morgenstern.
Wer kennt sonst noch einen dicken Koreaner? Aber für seine
stattliche Figur geht er erstaunlich behände und quirlig zu Werke. Er ist sehr
wendig und mit einem straffen aber eben nicht poltrigen Fahrwerk und einem gut
abgestuften 5-Ganggetriebe gesegnet - auf langen Graden vermisst man schon mal
Gang 6. Seit dem letzten Facelift, hat der Benziner auch ein Sechsganggetriebe, hatte leider nur mein Testwagen noch nicht. Über die Serpentinen flutscht es aber auch so mit dem Track. Die Lenkung ist dabei
zwar ein bisserl teigig, aber es macht überraschend viel Spaß. Dazu tragen auch
die festen Sitze mit vernünftigen Seitenhalt bei.
Der Unterschied
zwischen einem Boy und einem Mann ist ja der Preis seines Spielzeuges: Orlando ist als LTplus - Benziner schon für 24.395,00 Bucks des alten Kontinents zu haben. Das
ist so mega-günstig, dass man die Lady noch zum Dinner einladen
kann.
Würde ich Orlando für eine Saison
engagieren? Nicht so, wie er vor mir steht. Ein Diesel und ein schöneres Lenkrad sollten schon sein. Dann nehme ich ihn mit nach
Brokeback-Mountain. Und wer weiß, was dort passiert mit mir und dem ollen, dicken Cowboy...
Danke für die Aufmerksamkeit, sorry für die Bleiwüste und beste Grüße aus dem Harz von Harry.